Seine Analog-Welt bevölkern Frösche, Kolibris und Grashüpfer. Seine Kabel erhalten am liebsten überhaupt kein metall. Jetzt baut Aalt Jouk van den Hul auch verstärker - Ehrensache, dass auch hierbei ungewöhnliche Ergebnisse zu erwarten sind.
Kompaktlautsprecher und kleine Standboxen, erschwingliche integrierte Elektronik, gerne auch mal Röhren. So in etwa, liess ich einst während eines redaktionstreffens den Chefredakteur wissen, stellte ich mir mein zukünftiches Ressort innerhalb des IMAGE HIFI-Teams vor. Eigentlich hätte mich schon das fröhliche "Hoho, wünschen darf man sich viel!" der lieber Kollegen warnen sollen - selber schuld. Nun allerdings, ein Jahr und etliche Netzteil- und MDF-Zentner später, muss ich gestehen: Ich hatte meine ansprüche wohl unterschätzt - was mir wichtig ist, erforderlich ohrenscheinlich doch einen grösseren konstruktiven Aufwand als angenommen.
Dass man als klassisch ausgebildeter Musiker ein besonderes sensibeles Verhältnis zu Klangfarben hat, versteht ja eingentlich von selbst - schiesslich spielt nirgendwo anders der "Ton" eine derart wichtige Rolle wie während des Instrumentalstudiums. Das schärft das Gehör in puncto Obertöne uns Einschwingvorgänge ungemein. Was musikwiedergabe betrifft, sind gerade Musiker aber auch zu den unglaublichsten Dingen fähig - wie etwa der Cellist, der mir begeistert den Kopfhörerstöpsel seines Minidiscgerätes reichte, um mir die Mono-Longplay(!)-Kopie einer historische Schallplatte, abgespielt auf einem ziemlich kaputten Plattenspieler, vorzuführen und dabei von den fantastischen Ton des darauf zu hörenden Geigenvirtuosen schwärmte. Sicher, er hatte recht, man hört durchaus, was man hören will. Sobald allerdings High Fidelity angesagt ist, reicht ein kurzes abspielen einer aufname des vertrauten Instrumentes, um über Top oder Flop zu entscheiden - da hilft kein "sich einhören", kein noch so mitreissendes "Pace, Rhythm and Timing": Klingt das Klavier wie ein Synthie, die Geigen nach Textilien (am beliebsten, Seide und Samt), gibt es keine Diskussion: Der nächste, bitte.
Was das alles mit den eigentlichen Thema dieses Artikels, der brandneuen Vor-Endverstärkerkombi Array A-1 und M-1 von Aalt Jouk van den Hul zu tun hat? Nun, diese fügt sich auffällig gut in eine Serie von Testgeräten, die mir in jüngster Zeit besonders durch eine eigenschaft viel Freude bereiten: Ihre spektrale Reinheit, auch bekannt unter den Begriffen Verfarbungsfreiheit oder Monitoringqualität. Ein Monitor dient der Beobachtung, er zeigt, was passiert, hält sich ansonsten aber völlig aus dem Geschehen heraus. Genau so verhält sich etwa der (SA)CD-Player von Lindemann, den ich noch das Vergnügen habe nutzen zu dürfen, ebenso wie die Musica-Box, von der an anderer Stelle in dieser Ausgabe ausführlich die Rede ist. Und eben die Van den Huls - sie verwandeln meine Dynaudios in eine Studioabhöre, so dass es eine Freude ist, vertraut geglaubtes Musikmaterial über sie neu zu entdecken.
Auf der suche nach einer technischen Begründung für diese für ein Debütprodukt doch ganz erstaunliche Leistung stösst man auf zwei primäre Entwicklungsziele des holländischen "Analog-Papstes": Breitbandichkeit und Störungsfreiheit. Das klingt so noch nicht sonderlich spektakulär, deshalb hier rasch noch ein paar Details: 120 Megaherz Bandbreite, kaskodierte Leistungsverstärker, SMD-Endstufentransistoren, DC-gekoppelte Ein- und Ausgangsstufen, minimaler Gegenkopplung, symmetrische signalverarbeitung....
Ohne Zweifel sind die Endstufen die Stars des Trios. Schon allein die Verwendung von Leistungstransistoren in SMD-Bauweise ist etwas Besonderes. Zum Zweck einer verbesserten Störunterdrückung bedient van den Hul sich hier aber zusätzlich der Kaskodierung: Von insgesamt 64 Transistoren pro Monoblock werden jeweils acht auf diese Weise miteinander verschaltet, die so entstandenen acht Gruppen arbeiten dan parallel. Die Breitbandigkeit dieser Bauteilen soll nicht etwa Fledermausohren schmeicheln, und auch das Geschwindigkeitspotential ist nicht das alleinige Argument für den Einsatz einer 120-Megahertz-Schaltung. Vielmehr spielt auch hier die Entstörung die Hauptrolle, nämlich die Unterdrückung der im Class-AB-Betrieb unvermeidlichen Übernahmeverzerrungen. Alle Ein- und Ausgangsstufen - auch die der Vorstufe - sind Gleichstromgekoppelt und, mit Ausnahme der DC-Servoschaltkreise, durchgehend diskret bestückt; Gegenkopplung findet hier nicht statt. Die Monoblöcke - interessanterweise nicht der Preamp - sind symmetrisch aufgebaut und werden von einem geregelten Netzteil versorgt. Und dann merkt man doch noch, dass Herr van den Hul auch eine professionelle Studio-Endstufe baut - die Schutzschaltungen der M-1 sind nämlich eine Klasse für sich. Ein achtkanäliger Messgerätechip von Analog Devices wacht über die Qualität des Netzstroms, spürt Überbelastung, Verzerrungen und DC-Anteile im Ausgangssignal auf und kontrolliert die Temperatur - besser geht's nicht.
Die Vorstufe A-1 fällt zunächst einmal durch das Fehlen jeglicher Bedienungselemente auf - selbst einen Netzschalter sucht man vergebens, was allerdings bei einer Leistungsaufnahme von nur sechs Watt im Standby-Betrieb zu verschmerzen sein dürfte. Weniger versöhnlich stimmt mich allerdings das Bedienkonzept. "Van den Hul entwickelt Verstärker und keine Fernbedienungen", lautet der zaghafte Erklärungsversuch des Vertriebs auf die Frage, was um Himmels willen eine Universal-Systemfernbedienung von Philips in der Verpackung des Vorverstärkers zu suchen hätte. 34 bunte Knöpfchen in einem voluminösen Plastikgehäuse zur Bedienung eines dick aluminiumbeplankten High-End-Pre - nee, also wirklich! Ansonsten bietet die A-1 aber keinerlei Anlass zu Kritik - vorausgesetzt, man mag's puristisch. Vier Line-Eingänge und ein Tape-Ausgang stehen zu verfügung, die Umschaltung erfolgt mittels hochwertiger Relais direkt hinter den Buchsen. Die gegenkopplungsfreien Class-A schaltungen des audioteils sitzen auf zwei separaten Platinen hochkant im Gehäuse, die Bedienlogik samt Microprozessor und eigener stromverzorgung findet hinter der Frontplatine Platz. Von hier aus wird auch die Lautstärkeregelung angesteuert: Die arbeitet mit engtolerierter Festwiederstanden, die per Relais in Half-Dezibel-Schritten geschaltet werden. Die aktuelle Dämpfung beziehungsweise Verstärkung wird in einem (abschaltbaren) LED-Display an der Front als absoluter Dezibelwert zwischen -70 und +10 angezeigt.
An schaltungstechnischen Feinheiten mangelt es den Array-Amps wahrlich nicht - hier gibt's handfestes know-how für's Geld statt obskurer Bauteilorgien. Die Gehäuse entsprechen mit sauber gefertigten Alu-Frontpanzerungen den high-endigen Anforderungen, das verwendete Buchsenmaterial ist von der amtlichen, stabilen Sorte. Höchst erfreulich im täglichen Betrieb: Die völlige Abwesentheit jeglichen Brummens, Rauschens, Ploppens. Ebenso sympatisch ist das extrem ökonomische Ruhestromverhalten.
Noch was? Aehm ja, also ... das war so: Die Vorstufe ist ja, wie erwähnt, unsymmetrisch aufgebaut und verfügt demzufolge nur über Cinch-Ausgänge. Die Monoblöcke dagegen arbeiten symmetrisch und können wahlweise per XLR- oder per Cinchbuchse beschickt werden. Von letzterem gibt es nun aber zwei, die mit dem symmetrischen Eingang intern derart verbunden sind, dass die einer der beiden das phasenrichtige, die andere das invertierte signal erwartet. Daraus folgen vier mögliche Anschlussarten: symmetrisch XLR zu XLR bei Verwendung einer entsprechende Vorstufe, symmetrisch mittels zwei zweier Cinchkabel pro Kanal, unsymmetrisch über ein passend gebrücktes Cinch-XLR-Adapterkabel oder unsymmetrisch mit nur einer Cinchkabel, wobei allerdings die zweite Cinchbüchse unbedingt kurzgeschlossen werden muss! So steht es eigentlich auch im User Manual, nur, Sie ahnen es schon - HiFi-Journalisten und Bedienungsanleitungen: "Seltsam, der Vorverstärker ist bis zum Anschlag aufgerissen, aber mehr als gehobene Zimmerlautstärke kommt da nicht heraus - minimal 125 Watt bei 4 Ohm, kann das sein? Ich muss wohl mal die Endstufer aufschrauben ... oh, oh!" Das anschliessende Selberlöten eines Cinch-Kurzschlusssteckers war nicht schwer, nur vielleicht nicht ganz im Sinne des Kunden. Aber die Testgeräte sind ja noch quasi ofenwarm, in der Serie wird ein passender Stecker sicherlich beigelegt - ebenso wie, bitte bitte, eine würdige Fernbedienung!
So jetzt darf es aber endlich heraus: Ich bin begeistert von diesen Verstärkern. Wieso? Nun, das Entscheidende habe ich eigentlich schon zu Beginn angedeutet - diese Klarheit und absolute Verfärbungsfreiheit, diese "Monitorhaftigkeit". Hinzu kommt ein Temperament, das nie aufgesetzt "handclapping/footclapping"-auf-Biegen-und-Brechen-mitreissend ist, sondern gerade bei der Wiedergabe von akustischen Instrumenten einfach deren natürliche Impulsivität bewart. Die Mono-Endstufen haben auch anspruchsvolle Schallwandler wie meine Dynaudio Special One jederzeit problemlos im Griff, jedoch bei aller Kontrolle auf humane Art und Weise. Die Eisenfaust, mit der sich eine Burmester 956 MkII der Chassis bemächtigt, ist deren Sache nicht; ich für meinen Teil empfinde diese minimal weichere Gangart jedenfalls als angenehmer, da organischer und dem Gesamtfluss dienlicher - Geschmackssache.
Ich habe schon einige Verstärker gehört, die mir richtig gut gefielen: Den Audio Analogue Puccini, dieses italienische Temperamentsbündel; den Jadis Orchestra, der mich mit seiner farbig-flüssige Musikalität schlichtweg bezauberte; meine Naims, natürlich, die unter optimalen Bedingungen ganz wunderbare Dinge zu leisten imstande sind. Doch es war immer der Sound des jeweiligen Amps, der sich in die Musik mit einbrachte. So schön das auch sein mag, aber ich will mich eigentlich von der Interpretation beeindrücken lassen und nicht von der Elektronik. Kollege Kraft mag da kopfschüttelnd danebenstehen und etwas von "die Jugend" murmeln - mag sein, Geschmäcker ändern sich, aber da ist der Musiker in mir eben stärker.
In gewisser Weise erinnern mich die Array-Amps an den kleinen KEF-Reference-Lautsprecher. Es ist die gleiche Lockerheit und Antrittsschnelligkeit, gepaart mit einer völligen Abwesentheit von Tempo vorgaukelnden Artefakten im Hochton und einer durch und durch homogenen Spielweise, die für ein höchst entspanntes Hören sorgen. Das gäbe sicher eine tolle Paarung, zumal die räumlich extrem präzise Darstellungsfähigkeit des KEF'schen Koaxes der in dieser Hinsicht nicht ganz so rasiermessenscharfen Vorstellung der Holländer womöglich noch etwas auf die Sprünge helfen könnte.
Was Raumdarstellung betrifft, ist ohnehin noch nicht das letzte Wort gesprochen. Bei van den Hul war nämlich zu erfahren, dass eine dem Potential der Monoblöcke angemessene symmetrische Vorstufe durchaus schon angedacht sei und in etwa einem Jahr zu verfügung stehen könnte. Ein kurzer Quercheck mit der Muse Model Three Signature offenbarte die herforragende Sensibilität der Endstufen - die Positionierung von Musikern gelang schlagartig präziser, dafür kam die Vorstellung jedoch Tonal aus der Balance. Mit der Array A-1 bilden die Endstufen tatsächlich eine Einheit, Ausreizen hin oder her - die A-1 ist ein exzellenter Vorverstärker.
Anders als bei der legendären Megaherz-Amps von Spectral, die aufgrund ihre Breitbandigkeit nicht ohne aufwendige Abschirm- und Filtermassnahmen sowie Kästchenkabel auskommen, haben die Holländer derartiges nicht nötig: Deren Ein- und Ausgänge sind ausreichend gegen hochfrequenten Schmutz geschützt, und mit meiner Standardverkabelung kamen sie auch bestens zurecht. Bleibt trotzdem wenigstens eine Ahnung vom berühmten Spectral-Klang übrig? Schon möglich, dafür brauchen sie aber auch entsprechende Lautsprecherpartner. Dieses völlige Freistellen des Klanges im Raum überfordete meine Dynaudios doch ein wenig. Mit den probeweise angeschlossene Musica Cuba stieg vor allem das Auflösungsvermögen und die Tiefbassfähigkeit der Anlage, da die Keramikchassis aber noch nicht völlig eingespielt waren, eröffnet sich hier für die nächsten Wochen ein hübsches Experimentierfeld - der erste Eindruck war jedenfalls viel versprechend.
Ansonsten funktionierte aber die Kombination mit den kleinen Special Ones gerade im Bereich der Klangfarben dermassen gut, dass ich viel lieber meine "Giftschrank"-Test-CDs endlich wieder einmal ganz hörte, statt wie sonst anhand ausgewälter Gemeinheiten einen Komponenten-Shootout zu veranstalten. Eine solche Aufnahme ist die Sonate für Violine und Klavier von Cesar Franck in der für mich nach wie vor unerreichten Interpretation von Gidon Kremer und Oleg Maisenberg (Praga PR 250 024). Steht hier sonst das Brüchige, Zaudernde in Kremers Geigenton im Mittelpunkt, bieten die Van den Huls nun alle Facetten seines Spiels gleichermassen dar. Gleichzeitig erhält der Flügel völlig individülle Farben - das ich nicht ein Zusammenklang, da spielen wirklich zwei grosse Künstler, jeder an seinem Instrument, und doch in lebendiger Kommunikation. Klangmerkmale des Einen beeinflussen niemals den Ton des Anderen. Ein ähliches Bild ergibt sich bei Grossorchestralem Material, wie etwa Rimsky-Korsakoffs Tondichtung Sheherazade, dargeboten vom Orchester der Pariser Bastille-Oper unter der Leitung von Myung-Whun Chung. In den Sekundenbruchteilen bevor das Orchester einsetzt öffnet sich der Aufnahmeraum wie selbstverständlich vor dem Hörer. Danach, während eines Wechselbads aus wogenden Tutti-Fortissimi uns sanften, fast beschwichtigenden Soli aller Instrumentalgruppen, stimmt die Energieverteilung wieder perfekt: Blechbläser behalten ihren Biss, die Obön, Flöten, Klarinetten und Fagotte erklingen mit viel Wärme von ihren angestammten Positionen.
Schiesslich musste auch noch Shirley Horn für einen Check herhalten. Und wie nicht anders zu erwarten, gab es hier auch keinerlei Auffälligkeiten, jedenfalls keine negativen. Sanft flirrende, fein differentierte Nieten-Becken, ein weich grummelnder Kontrabass, das Klavier von Mrs. Horn steht unverrückbar im Raum, und ihre Stimme - kein lispelt mit so viel Tiefe "Soothe me" wie diese grosse alte Jazz-Lady.
Zuverlässigkeit - das ist es, was Aalt Jouk van den Huls Array-Amps zu etwas Besonderem macht. Was ich über sie höre, das ist so auf dem Tonträger gespeichert, darauf ist Verlass. Dem Lindemann D 680 habe ich für seine ganz ähnlichen Qualitäten im letzten Heft Werkzeugstatus zugebilligt - hier kommen die passenden Verstärker! Darüber hinaus benehmen sie sich elektrisch überaus zivilisiert, sind noch durchaus tragbar (doch, auch das ist wichtig!) und mit ihrer Aluminium-Tarnkappe herrlich unauffällig. Die Vorstufe ist für den Preis ein Schnäppchen, doch die Endstufen - die haben es mir richtig angetan.
Music Emotion (PL)
Ruud Jonker (M-10, A-10)
HighFidelity.pl (PL)
Marek Dyba (S-10, A-3)
HIFI.nl (NL)
Max Delissen (S-10)
HVT (NL)
Marnix Bosman (S-10)
HVT (NL)
Bert Oling (PH-2, A-3 en M-2)
HVT (NL)
Bert Oling (A-2, S-1)
MusicHomeStudio (NL)
Ruud Jonker (S)
HVT (NL)
Bert Oling (PH-1)
Positive Feedback (USA)
Francisco Duran, Ed Morawski, Danny Kaey (P-1, S-1)
The Absolute Sound
Sue Kraft (A-1, M-1)
ImageHiFi (Dld)
Michael Vrzal (A-1, M-1)
MusicHomeStudio (NL)
Ruud Jonker (OPAL, GEODE)
HVT (NL)
Ruud Jonker (A-1)
Stereo
Holgar Barske (A-1, M-1)
MusicHomeStudio (NL)
Ruud Jonker (A-1, M-1)
Audio en Techniek
John van der Sluis (P, M)
MusicHomeStudio (NL)
Ruud Jonker (interview)